4 Eintrag - die neue Heimat?!

Angekommen. Aber in welchem Sinne bin ich an-ge-kommen? Ich fühle mich momentan so als hätte ich auf der Reise mit dem Hochgeschwindigkeitszug (gaotie 高铁) einiges an Gepäck verloren oder in Beijing und Deutschland zurückgelassen. Die Koffer stehen vor mir, ich kann sie sehen und auspacken, aber es fehlt dieses unsichtbare Gepäck, welches jeder von uns jeden Tag, jede Stunde und Minute bei sich hat. Ein Gepäckstück – nein nicht nur eins mehrere – das/die von zweierlei Natur sind: Interpersonal und zugleich tief persönlich. Ich hätte mir nicht ausmalen können, dass es so schwer ist, wenngleich ich es doch gewohnt war es in Deutschland jeden Tag mitzunehmen und in Beijing begann neues hinzuzufügen. Aber halt! Weg ist es nicht, es muss da sein. Oder ist es zugleich da und nicht da? Durch den oberflächlichen Blich verknüpft mit der physischen Wahrnehmung erscheint es als sei es nicht da, weil nicht fassbar, hingegen zeigt der tiefere Blick, dass es da ist, nur figuriert es sich in einer anderen Form – einer ungewohnten. Betrachten wir den Blick auf das Ganze. Bei ersterem sehe ich mittels meiner Augen - kann also nicht sehr genau. Bei letzterem mittels eines imaginären Lupe und der Blick vergrößert sich. Ob es das kleine Gepäckchen dort neben mir ist? Ja, da ist es! Es ist also nicht weg, sondern bei mir – das freut mich.

Jinan 济南 ist die Hauptstadt der Provinz Shandong 山东, liegt am Gelben Fluss Huang He 黄河 und wird meine neue Heimat für ein Jahr werden. Mittlerweile sind drei Nächte ins Land gegangen und der vierte Tag neigt sich dem Ende zu. Ich schreibe euch heute am Samstag. Leider habe ich noch kein Internet, sodass mein Blog etwas in Verzug gerät, aber das nehmt ihr mir sicher nicht übel, denn ich muss ja hier erstmal ankommen und alles seinen Platz zuordnen. :)

Wie waren die letzten Tage? Am Mittwoch hat mich Beijing mit herrlichstem Sonnenschein verabschieden und wollte mir wohl sowohl eine gute Reise als auch einen guten Start in der neuen Studienstadt wünschen. Mit dem Hochgeschwindigkeitszug bretterte ich mit konstant 300 km/h in den Süden mit Ziel Jinan Westbahnhof. Die Stimme meiner Mutter im Ohr hörend hatte ich einen Zug eher genommen, denn man weiß ja nie was so passiert…;) Aber Züge in China sind so pünktlich, dass sie sogar vor der eigentlichen Abfahrtszeit losfahren. Nun ja, 10:20 Uhr kam ich an und 11 Uhr sollte ich von Freiwilligen der Shandong Universität shandong daxue山东大学 abgeholt werden. Was macht man mit 40 Minuten Freizeit? Richtig, man schaut sich den Bahnhof an und wie es draußen so aussieht. 


Das war die erste Impression Jinans nach meinem letzten Besuch im März dieses Jahres. Hm, hier schien die Sonne dann doch nicht mehr, dazu noch dieser trübe Himmel…naja gut. Aber wartet was ist das? Sonne? Yeah! Nachdem ich die Freiwilligen gefunden habe und wir etwas gequatscht haben (erst auf Englisch bis sie merkten, dass ich ja Chinesisch kann – man dann waren sie ja aus dem Häuschen heheJ), sind wir in die Innenstadt, die nicht genau definiert ist, sich vielmehr danach definiert wonach man fragt, gefahren und als wir den Campus erreichten, siehe da die Sonne begrüßt mich herzlich in Jinan angekommen zu sein. 






Bedeutende ehemalige Geschichtsprofessoren der Shandong Universität


Dort unter den Bäumen sitz ich meistens und lese im rauschen der Blätter^^


Der Haupteingang


Unserere Sporthalle 
 

...und einen Fake-Starbucks gibts auch haha :D
 
Auf auf, los ging es zum Anmelden, denn ich brauchte schließlich ein Bett zum nächtigen. Das Anmelden, ja wie fang ich an und beschreibe es am besten? Hm, nach den zwei Tagen des Anmeldeprozesse (für das Zimmer und für die Einschreibung) muss ich sagen, dass ich die deutsche Bürokratie doch lieber habe als das Chaos und das riesen Durcheinander, in welchem ich mich am Mittwoch und Freitag befand. Mittwoch war noch ok, da ich einen Tag zu früh da war und ich nicht für die Anmeldung des Zimmers warten musste, was sich als perfekt herausstellte, denn am Nächten Tag war ich im gleichen Büro und es kam mir vor als sei irgendwo ein Nest von Studenten aufgebrochen und alle wollten sich zugleich anmelden. Ich hab mir nur schnell meinen Reisepass geschnappt und bin wieder raus. Am Freitag dann platze die Bombe, Heerscharen von Studenten drängten sich in College of International Education und wollten sich einschreiben. Gut, dass ich 9:00 Uhr vor der Studenten-Welle ankam. Organisiert in 3 Schritte musste jeder sich anmelden, dass aber Unterlagen fehlten, das Betriebssystem nicht mehr wollte oder einfach zu wenig Freiwillige da waren, um zu helfen, torpedierte die „Organisation“. Mit Studentenausweis in der Hand wurde ich von meinem neuen Freund 小雨 Xiaoyu (kleiner Regen haha) zur Bank begleitet, wo mein anderer neuer Freund Mengchan孟震 oder einfach Michael (er studiert Germanistik) auf mich wartete, um mir beim Öffnen des Bankkontos zu helfen. Über eine Stunde stand ich einer Schlange, die sich gefühlt rückwärts bewegte und hielt nach 10 Minuten Bearbeitung meine neue Bankkarte in der Hand. Später am Abend war ich mit meinem Mitbewohner Dimitry oder einfach Tim und ein paar Freunden von ihm zum Essen verabredet. Leider sagten uns Ana und Anni für das Essen ab, was für sie bedeutete echt leckeres buddhistisch vegetarisches Essen verpasst zu haben. The buddhist vegetarian Dinner ist ein kleiner Geheimtipp in Sachen lecker vegetarisch schlemmen. Die Gerichte sind nicht zu teuer, das Personal ist lieb und die Küche versteht sich Pflanzen so schmecken und aussehen zu lassen als sei es echtes Fleisch. Falls jetzt jemand von euch auf die Idee kommt zu sagen: „Öhh vielleicht war es ja Fleisch“, dann muss ich dich enttäuschen, denn Fleisch zu essen und zu lügen ist eines der Regelbrecher für Buddhisten. Gut bezogen auf ersteres kann man sich streiten.
In Bezug auf den Theravada Buddhismus – einer der wenigen noch existierenden Traditionen des frühen Buddhismus – aßen/ essen Mönche auch Fleisch. Dies aber nur unter der Bedingung, dass das Fleisch nicht extra für sie zubereitet wurde und es sich lediglich um Reste bspw. vom Mittag handeln. Dass sie das Fleisch nicht ablehnen, sondern annehmen und essen, zeigt, dass sie keinerlei Vorzüge einer Sache gegenüber besitzen. Das heißt die Bindung an die Welt – das Samsara oder das wiederkehrende Geboren werden – wird überwunden, wenn der Praktizierende es schafft die drei Zustände Abneigung, Neutralität und Vorzug in Bezug auf Objekte des Weltlichen keinen Wert mehr beimisst – dass hier noch mehr dazu zählt bleibt außer Frage. 
Im Mahayana Buddhismus hingegen ist Fleischverzicht unabdingbar. Das bringt und zu dem Restaurant zurück: Da ich mich in China befinde und der Mahayana Buddhismus hier überwiegen praktiziert wird, werde ich also kein Fleisch gegessen haben:)

Nach der leckeren Speisung sind wir zwei noch in die Spacebar gewandert, da mit Tim die alternative Szene Jinans zeigen wollte. Es ist eine kleine Bar über zwei Etagen am Ende einer der Foodstreets Jinans, ist sehr heimelich eingerichtet und befindet sich im alten Jinan. Da wo es noch chinesisch Aussieht hehe. :)


Eine der Foodstreets Jinans - leider weiß ich den Namen gerade nicht ...
 

Auf der Straße zur Spacebar und ziemlich cool: Dort gibt es eine One Piece Bar :D

Folgende Bilder sind in der Spacebar enstanden. 





Nach ein zwei Bier beschloss ich dann mir ein Taxi nach Hause zu nehmen, wurde aber auf dem Weg zur Straße von Ana und Anni davon abgehalten und auf ein drittes Bier wieder mit zurück geschl… äh genommen :) Es war ein schöner Abend. Gegen halb eins bin ich dann ins unglaublich harte Bett gefallen und war sofort im Schlummerland...:)



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