6 Eintrag - ...mit einer Priese Konfuzianismus
Da bin ich wieder. Ihr habt mich doch nicht vergessen,
oder?! Gut, das freut mich:). Ich muss gestehen, die letzte Woche etwas faul
gewesen zu sein was das Schreiben eines neuen Eintrags angeht. Nun, da ich die
Blogs meine Kommilitonen las und etwas neidisch auf ihre ganzen witzigen und
interessanten Geschichten bin, hat mich der Drang zum Verbalisieren meiner
Gedanken ergriffen und schreib ich euch meine. Hihi
Im Grunde lief die ganze letzte Woche auf das Wochenende zu,
denn außer zum Unterricht und mit Freunden essen zu gehen ist nicht wirklich
viel passiert. Gut, von Tag zu Tag erweitere ich meine imaginäre Karte über
Jinan – soll heißen ich find mich langsam zurecht :) - aber diesen Prozess
sehe ich als natürlich an.
Also was war am Wochenende los? Eingeleitet wurde es am
Freitag mit einem Warte-Marathon über 4 Stunden in der hiesigen Polizeistation.
Da ich ein Jahr hier bleiben werde, muss mein vorläufiges X1 30 Tage Visum zu
einem einjährigem umgewandelt werden, wofür die Uni uns in Gruppen aufteilte
und mit uns dorthin fuhr. Vom Hören und Sagen kamen mir Zahlen von 1-
(höchstens) 2 Stunden zu Ohren, doch aus Gründen, die ich nicht erahnen kann,
wurde es dann doch etwas mehr. Somit konnte ich die Zeit nutzen meine
Mitstreiter etwas kennenzulernen. Als erstes war ein Mongole der Zana an der
Reihe. Wir saßen schon im Bus nebeneinander, konnten also schon mal auf
Tuchfühlung gehen:). Als zweites dann ein Inder. Eigentlich wollte ich
mir nur mal die Beine vertreten und herumschauen als links neben mir die Frage
gestellt wurde: „Hey, You‘re from Germany, right?“ Kurz zusammen gezuckt (ich
bin ja leicht Schreckhaft – meine Mitbewohner kennen das:) drehte ich um und
schon war ich in die nächste Unterhaltung gerutscht. Er wollte alles Mögliche
über Deutschland und die deutsche Sprache wissen, da, das hat sich dann später
herausgestellt, er gerne in Deutschland seinen Doktor machen möchte. Joa, so
hab ich dann erzählt und erzählt bis dann auch endlich ich an der Reihe war und
meinen Reisepass und 400 Rmb abgeben durfte. Im Gegenzug bekam ich ein
Dokument, mit welchem ich hoffentlich reisen darf (mir wurde es versichert,
aber ich trau dem Ganzen noch nicht ganz), denn während der Feiertage vom 1.10.
bis 7.10 geht es zunächst nach Tianjin 天津 und dann in die nächst gelegene Provinz Shanxi山西 ins malerische
Pingyao平遥, dessen Name etwa der Frieden
in der Ferne übersetzt heißt.
Abends erhielt ich noch einen Anruf, dass ich doch bitte ins
Timessports (die fesche Billardbar) kommen solle, da alle da seien (mein
Mitbewohner und seine ganzen Freunde, die mittlerweile wohl auch meine sind:).
Auf dem Weg dorthin begegnete ich dieser Szenerie:
Es war stockdunkel, nur die paar Lichter am Ende der Straße
brannten und vereinzelt liefen ein paar Jogger*innen vorbei (achtet auf eure
Sprache;)). Der Abend war sehr cool und endete fast mit meinem Sieg über Ani.
Das letzte Spiel sollte entscheiden, ob wir in eine KTV-Bar (also eine Karaoke
Bar) gehen oder nicht. Wenn ich gewinne, dann nicht, wenn sie, dann ja. Gut,
ich gewann, aber da ich ja nicht so bin, sind wir weiter gezogen und ich war
gespannt worauf ich mich denn eingelassen habe. Auf dem Weg begegnete uns dann dieses Hotel.
Ja auch in China gibt es echte Hotels. Haha.
Die KTV-Bar müsst ihr euch vorstellen wie die Lobby eines 5
Sterne Hotels. Es war unglaublich prunkvoll. Von allen Ecken und Enden glänze
und glitzerte es. Aber der Eintritt waren dennoch nur 20 Rmb (2,5 €) für etwa
5-6 Stunden. Also, wie funktioniert Karaoke in China: Es gibt zwei Bereiche.
Der erste ist der, wo die Bar ist und man sich Alkohol kaufen kann (das haben
wir nicht gemacht, weil es zu teuer war. Wir haben unseren eigenen mitgebrachtJ).
Der zweite Bereich besteht aus den einzelnen Zimmern, die man quasi mietet, um
dort singen zu können. Aus Deutschland kannte ich es bisher nur so, dass man
vorm gesamten Publikum der Bar sein Liedchen trällert, aber hier ist man unter
sich. Schön, denn wer mich kennt, der weiß, dass ich Singen noch nie mochte und
mich bei jeder Gelegenheit darum gedrückt hätte. Anfangs hab ich es dem gleich
getan und den anderen den Vortritt gelassen, aber da wir nur fünf Personen
waren, fiel es schon auf, wenn einer sich noch nicht die Ehre gegeben hatte.
Allen Mutes zusammen nehmend, die Brille richtend, einen letzten Schluck aus
dem Humpen (zur Befeuchtung des Hales versteht sich) und ich war an der Reihe.
Ja, ich sag mal es war ok, wurde aber besser je länger wir dort waren – die
Hemmungen fielen bei jedem Lied mehr. Das einzige Problem war nur, dass mein
Musikgeschmack nicht mit der Playlist übereinstimmte, das heißt solche Dinger
wie Dream Theater, Black Sabbath, Haken, Opeth, Porcupine Tree usw. gab es
leider nicht. Aber! Ein Lied von KoRn war vertreten – wenigstens etwas. Nuja
und so spielte die Musik verschiedenster Genre. Chinesische Balladen, Pop (xiao
pingguo小苹果 und solche
Granaten), Queen, Abba, Linkin Park, KoRn (yay) usw. Bis etwa 5:30 sangen wir.
Entschieden uns dann aber zu gehen, da keiner mehr so richtig Lust hatte. Der
Morgen graute, die ersten Chinesen liefen joggend an uns vorbei, andere übten
sich in Tajiquan太极拳 (das chinesische
Schattenboxen, welches eigentliche eine Kampfkunst ist, aber dem Aspekt der
Gymnastik, Gesundheit und der Meditation mehr und mehr weicht) und ich fiel 6
Uhr in Bett. Es sind schon einige Monde vergangen, seitdem ich so spät die
Augen schloss. Aber es war ein gelungener und lustiger Abend:)
Den Samstagnachmittag nutzte ich nach einem ausgiebigen
Mittagsmal zum Anlesen meiner neu erworbenen Bücher: Das San zijing 三字经 (der drei Zeichen Klassiker) und
das Lunyu论语 (die Gespräche). Beide auf Chinesisch, wobei
Ersteres in Kurzzeichen und Zweiteres Langzeichen geschrieben ist. An dieser
Stelle möchte ich auf die hervorragenden Artikel der Sinonerds verweisen, die
den Unterschied der fan tizi 繁体字 Langzeichen und jian tizi 简体字 Kurzzeichen in der Artikel-Reihe
„Der Mandarin-Code“ herausarbeiten und aufzeigen warum es diese gibt, wie sie
entstanden und welcher Sinn dahinter steht die komplexen Langzeichen in
einfachere umzuwandeln. Website: http://www.sinonerds.com/der-mandarin-code-chinesisch-lernen/
Es ist sehr spannend und lohnt sich!
Das San zijing ist ein in Gedichtform geschriebene Lehrfibel
für Schüler der Grundschulen zur Zeit der Ming 明 (1368 – 1644) und Qing清Dynastie
(1644 – 1911) und bildet mit den Hundert Familiennamen bai jiaxing百家姓 und dem 1.000 Schriftzeichen Klassiker qian ziwen千字文 die basale Form
der Grundschulausbildung. Sie sind bekannt als die san bai qian三百千
Drei, Hundert, Tausend (Klassiker). Das San zijing im Speziellen wurde als
Medium der Vermittlung konfuzianischer Lehren verwendet. Zwar ist es nicht Teil
des Klassikerkanons, eignete es sich aber zum Unterrichten junger Kinder. Durch
die in Tripletten geschriebene Form ist es leicht zu memorieren und ermöglichte
es den Kindern auf einfache Art und Weise gebräuchliche Schriftzeichen, grammatikalische
Strukturen, Aspekte chinesischer Geschichte und Grundlagen konfuzianischer
Moral (Kindespietät und Respekt den Älteren gegenüber) kennenzulernen. Ich hab
mich also gedanklich auf die Schulbank neben einen Schüler des Jahres 1800
gesetzt und beginne meine kleine konfuzianische Ausbildung. Zu Beginn lese ich:
人之初,性本善,Zu des Menschen Beginn ist dessen Natur gut,
性相近,习相远。Ihre Naturen gleichen sich, aber ihre
Gewohnheiten ändern sie.
苟不教,性乃迁,Wird er nicht unterrichtet, verkommt dessen
Natur,
教之道,贵以专。Der richtige Weg des Lehrens ist die Konstante
von Beginn bis zum Ende.
Aus dem ersten Satz lässt sich die Verbindung zur
Philosophie des Mengzi 孟子 ablesen. Er
behauptet, dass des Menschen Natur von Beginn gut sei und sie diese Eigenschaft
nur verliere, wenn er sich den Gelüsten des Lebens hingibt. Kultiviert er sich
hingegen, bleibt seine Natur stets gut. Stetes Lernen und Lehren – eine der
wichtigsten Komponenten chinesischen Denkens. Nun denn, dann reih‘ ich mich ein
und wird mich durcharbeitenJ. Mittlerweile hab‘ ich die zehnte Strophe erreicht
und erlebe immer wieder diese Momente, in denen man denkt: „Ah, ja genau stimmt“
und freue mich dann darüber:).
Die dritte Strophe ist auch sehr interessant – danach verschon
ich euch vorerst mit weiterem ;)
养不教,父之过,Aufziehen
ohne zu Lehren ist des Vaters Fehler,
教不严,师之惰。Lehren
ohne Strenge ist des Lehrers Faulheit.
子不学,非所宜,Lernt
das Kind nicht, so ist dies nicht das, was sich geziemt,
幼不学,老何为?von
klein auf nicht lernen, was wird man im Alter machen?
Also was denkt ihr? Gedanken dürfen gerne im unteren Bereich
niedergeschrieben werden:)
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