3 Eintrag - Das gegenseitige Kennenlernen: Stefan - China

In einem der westlichen Cafés Beijings „The Bookworm“ sitzend, genieße ich eine Tasse heißen Grünen Tee, habe meinen Laptop auf den Schoß, bin umringt von Büchern (yes!) und überlege mir was ich euch heute schreiben möchte. Na, schauen wir mal was meine Finger so hergeben.

Wie fing der Tag an? Um 9 Uhr sind wir aus dem Bett gekullert, haben uns geduscht und sind zum Frühstück zu unserem Baozi Mann gegangen, der uns mittlerweile schon kennt und bei dem es lecker baozi gibt. Baozi 包子 sind gedämpft gefüllte Teigtaschen. Meist werden sie mit Fleisch gefüllt, aber es gibt auch vegetarische Varianten (puh!). Zu den Baozi noch eine Schale Xiaomi Zhou小米粥 Hirsebrei und Youtiao油条 frittierter Teig und das chinesische Frühstück war komplett. Mit gefülltem Bauch haben Philipp und ich dann die Reise in den hohen Norden Beijings zu unserer Mittagseinladung angetreten. Die ehemalige Direktorin des Konfuzius-Institutes Leipzig Fr. Prof. Lai hat in großer Runde zu Tisch gebeten und als ehemaliger Praktikant war auch mir ein Platz reserviert. Zusammen mit Philipp, Thomas und Liu Tong (eine Freundin von uns, die auch im KI arbeitet) haben wir als Gastgeschenk noch etwas Obst gekauft und ließen dann die Pforten der Türe läuten. 

Kleiner Exkurs zu Gastgeschenken: Ähnlich wie bei uns in Deutschland nimmt man auch in China etwas mit, um es dem Gastgeber als Aufmerksamkeit für die Einladung zu schenken. Ein Obstkorb ist immer gut, da man ihn gleich anrichten kann und jeder davon das ein oder andere Stück leckerem Obst essen kann. Weiße Blumen und in weißes Papier eingewickelte Geschenke lieber nicht, da sie Ausdruck von Trauer sind. Deutsche regionale Spezialitäten sind auch sehr hoch im Kurs angesehen. Also werdet ihr zu Chinesen eingeladen, dann vergesst nicht Obst zu kaufen. ;) 

Prompt öffnete sich die Tür und strahlend begrüßte uns Frau Lai, ihr Mann Liu Bobo und ihr Hund Harry. Da waren wir. Das erste Mal in einem chinesischen Haushalt. Stilvoll mit Holzmöbeln eingerichtet mit einigen Kalligraphiewerken an den Wänden hängend, Bücher über Bücher sowohl auf Deutsch als auch auf Russisch und Chinesisch bestaunten wir ihre Wohnung und fühlen uns gleich sehr willkommen. Wir überreichten das Obst, saßen uns auf die Couch, aßen und quatschen nebenbei. Nach kurzer Zeit läute es wieder und die nächste KI-Mitarbeiterin Wang Chunyu 王春雨 mit ihren zwei (das muss mal gesagt werden) überaus niedlichen Kindern Amelie Baobao宝宝und Jessica Beibei贝贝 (von 宝贝 für Schatz als Kosename) kam herein. Die beiden waren anfangs unglaublich schüchtern, tauten dann aber langsam auf als sie mit Harry anfingen im Wohnzimmer zu spielen. Die Tür kaum ins Schloss geworfen, stand auch schon Frau Rong (Dozentin an der Volksuni Peking) mit ihrem Sohn auf der Türschwelle – wir waren komplett und das Geschnatter – natürlich auf Chinesisch – ging los. Freudig lernten wir uns alle bei einem Café (wer mochte) kennen beziehungsweise tauschen uns über die letzten Erlebnisse aus. Während die Frauen sich irgendwann einfach in die Küche verzogen (ohne was zu sagen) und mit den Mittagsvorbereitungen begannen, waren Thomas, Philipp und ich von einer Geschichtsstunde mit Hrn. Dozent Liu Bobo gefesselt. Eigentlich wollte er uns nur erklären wie es dazu kam, dass die Männer in früheren Tagen lange Haare trugen und sie sich zu aufwändigen Frisuren banden. Anlass dessen war eine Geschichtssendung, die zeitgleich im Fernsehen lief. Er fragte einfach: Wisst ihr warum… uns los ging es


 Hier ein Beispiel der Haartracht des ersten Kaisers der Sui Dynastie (581-618) Yang Jian 杨坚

Exkurs Fernseher: Warum der Fernseher lief? Ganz einfach: Je mehr re nao 热闹 lebhaft, desto besser. Das heißt je mehr los ist, desto zufriedener und wohler fühlt man sich. Also bei der nächsten Feier macht doch mal den Fernseher an und lasst etwas Interessantes laufen (die Privaten ausgeschlossen ;) 

Mit den Frisuren kam der Stein ins Rollen und Liu Bobo sprach über die chinesischen Verhältnisse zu seiner Jugendzeit, die Deutsch-Chinesischen und Japanisch-Chinesischen Beziehungen und schafften es den Bogen zu schlagen, um wieder in der Chunqiu Zhanguo 春秋战国 der Zeit der Streitenden Reiche (770 – 221 v.u.Z.), bei Konfuzius (551 – 479 v.u.Z.- hier hatte ich den Stein ins Rollen gebracht) und den Frisuren zu landen. An besonders wichtigen Stellen hob er den Finger, hielt inne, schaute uns ernst an – wohl um auf Zustimmung zu warten – und sprach weiter. Ab und zu musst Liu Tong als Dolmetscherin herhalten, da es doch stellenweise schwer war ihm zu folgen. Unterbrochen wurde die Geschichtsstunde dann vom Auftischen der Leckereien. Zhongfan zuo hao le 中饭做好了 „das Essen ist fertig“ rief es, wir ließen uns wieder nieder und aßen bei anregenden Gesprächen.



Als Nachtisch gab es noch eine saftige Wassermelone und im Anschluss schossen wir noch das obligatorische Gruppenfoto. 

 (v.l.) Ich, Thomas, Fr. Lai, Amelie und Jessica, Liu Tong, Philipp, Fr. You, Fr. Wang und Fr. Rong

Langsam neigte sich unser Besuch dem Ende zu und nach langen Verabschiedungen traten wir wieder die Reise ins Zentrum Beijings an (über eine Stunde mit Bus und U-Bahn). 

Zweites Highlight des Tages war eben jenes Café „The Bookworm“ laoshu chong老书虫aus dem ich euch gerade schreibe. Bücher über Bücher (Englische und Chinesische) standen in Wandhohen Regalen. Und das Tolle war, dass man sich jedes nehmen konnte, um darin zu schmökern. Das Flair, die Atmosphäre und die gezupften Klänge einer Gitarre waren einfach sehr angenehm und luden zum hinsitzen und entspannen ein. Wenn ihr in BJ seid, dann schaut abends vorbei, da abends dort reger Verkehr vieler verschiedener Nationalitäten ist, man ins Gespräch kommen kann und es live Musik gibt. 


Schön oder?

Meines Erachtens war heute (Donnerstag) der bisher beste Tag – gut es sind erst 4 Tage vergangen, aber dennoch ich fand/ finde ihn gut.


Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

7.1 Eintrag – Mit großen Schritten die Landkarte erweitern

1. Eintrag – Reise in die Heimat

2 Eintrag – Nur ein Katzensprung von Zuhause