5 Eintrag - Hach ist das Leben schön, wenn es strukturiert ist, oder?!

Kleine Bemerkung vorab: 
Der Post wird wieder etwas länger, da ich verbale Gefächte in Form von Beschwerden täglich zuführen habe. Der Internet-Mensch kommt nämlich nicht, um mir mein Internet einzurichten. Ich hab die letzte Woche damit verbracht mich Nachmittags an der Rezeption zu beschweren und jedes Mal die Antwort zu hören: "Heute oder Morgen ganz bestimmt" Jaaaa Pustekuchen. Nix, aber auch gar nix. Der Knaller war, dass mir heute gesagt wurde ich solle doch in das Büro gehen, in dem ich die Gebühr für das Internet bezahlt habe. Aber das wollte und konnte mir wohl niemand eher sagen... Naja aber! da ich einem Angestellten geholfen habe etwas ins Englische zu übersetzen, nimmt er sich jetzt der Sache an und hilft mir. Es bleibt spannend. Aber hey, so hab ich einige neue Leute kennengelernt (einen Koreaner, mit dem ich erstmal eine Stunde über chinesische Standarts und Chinas Entwicklung diskutierte) und konnte mein Ich-beschwere-mich-Chinesisch festigen. Also immer 乐观地面对生活 "always look on the bright site of life" *Leben des Brian on* :D

Jetzt aber viel Vergnügen beim Lesen :)

Unterricht in China: ich war in gewisser Vorfreude, hatte ich doch einige kleine Zweifel, der Unterricht könne sich so gestalten, dass wir nur nachlesen, Vokabeln durchkauen und stupide Schlüsselsätze lernen usw., waren diese recht schnell verschwunden als unser jingduke 精读课 (Lesekurs) Lehrer mich mit seinem Enthusiasmus beindruckte. Mit schneller Zunge hat er uns anhand einer ppt. seinen Ablaufplan erklärt und gleich losgelegt. Von Anfang an wurden wir einbezogen und mussten - ja ok - nachsprechen, aber die Art wie er die Vokabeln erklärte, war sehr verständlich. Nicht einfach vorlesen und nachsprechen, sondern er hat sie in Gruppen sortiert, die wichtig für HSK 4,5,6 sind und wie man sie verwendet (HSK: ist eine Prüfung, mit der man das Niveau eines Chinesisch-Lerners ermittelt, vergleichbar mit dem GER in Europa). Weiterhin wurden die Vokabeln dann in etliche Beispielsätze eingebettet und ein Text zum Lesen rundete die Stunde ab. Zwischendurch hat er uns immer mal Fragen gestellt, die meist von mir und meinem weißrussischen und koreanischen Kommilitonen beantwortet wurden. Ich hoffe ich bleib in dem Kurs (wir sind 30 und er will ihn teilen, da wir zu viele sind zu viele).
Danach hatten wir dann kouyuke口语课 Sprachunterricht mit einer ebenso motivierten Chinesin, die versuchte aus der schüchternen Masse (manche hatten möglicherweise auch keine Lust) Leute zu animieren nach vorne zukommen und sich vorzustellen. Ja klar hab ich sie nicht lange warten lassen ;) Ich hab mich also vorgestellt und wurde für mein flüssiges Vortragen gelobt. 

Später am Nachmittag war noch ein Orientation Meeting, das echt für die Katz' war. Die Vortragenden hatten z.T. nicht gutes Englisch gesprochen und was am schlimmsten war, sie hatten die ppt. durchgeklickt als gebe es keine Morgen mehr: "we have to hurry, because there is no time left" (jaaa wir haben eine Stunde früher Schluss gemacht - wtf??) Naja, wenigstens waren es unglaublich weiche Kinosessel und die Zeit ging schnell vorüber, sodass ich mich pünktlich mit einem Chinesen zum Abendessen treffen konnte (er kann wirklich nur Chinesisch - yay :) Während des Essens meinte er dann, dass er mir gerne seine Firma zeigen wolle und wir doch dort einen Tee trinken könnten. Joa, gesagt getan. Ich sprang auf seinen elektrischen Roller auf und schon waren wir auf dem Weg zu seiner Firma. Dort angekommen wurde ich erstmal mit riesigen Augen von den Mitarbeitern angeschaut: Ein Ausländer? Was macht der denn hier?? Sehr witzig. Hihi. Aber alle sehr nett. Nach einer Tasse leckerem Grünen Tee und einem Rundgang durch die Firma hat er mich dann in den Vortragsraum gesetzt, um mir die Produkte seiner Firma zeigen zu können (Luftreiniger, Wasserreiniger, Hautcremes usw. wohl eine größere Firma). In dem Raum war bereits eine Veranstaltung (nur Chinesen - Waaas ein Ausländer?) zur Vorführung ihrer Produkte. Nach 20 Min. bin ich aber raus, da ich mir es nicht mehr anhören konnte - hab einfach kaum ein Wort verstanden, wegen des Dialekts und der Geschwindigkeit des Vortragenden. Zu meinem chinesischen Freund meinte ich einfach 有重要的事情 (so viel wie: Hab eine wichtige Sache – mit der Implikation zu gehen). Darauf er: „Kein Problem, dann wir sehen uns später". Ein sehr lieber Mensch. 

Samstag – Wanderung zum 10.000 Buddha-Berg qianfo shan千佛山

Heute war ich das erste Mal richtig Unterwegs. Ich war auch nicht alleine, denn ein chinesischer Freund – der Michael – hat mich begleitet. Zwar lebt er schon seit über einem Jahr hier in Jinan, hat es aber bisher nicht geschafft den 10.000 Buddha-Berg zu besteigen. Später meinte er zu mir: „Wenn ich nicht nach Jinan gekommen wäre, wäre ich wohl nie dorthin gewandert.“ Also gut, dass ich mich damals für Jinan entschieden haben :) 
 
Um 9 Uhr ging es los. Den Bus Richtung Süden geschnappt (wie das Bussystem hier funktioniert hab ich noch nicht ganz raus – wir sind jedenfalls in den Süden gefahren) und ausgestiegen als es durch den Bus schallte: „千佛山到了!“ Angekommen am 10.000 Buddha-Berg. Naja, von angekommen kann man nicht reden, da es noch ein ganzes Stück bis zum Eingang zu laufen war. Das war aber nicht weiter schlimm, denn so konnten wir die Gegend erkunden, um uns ein kleines Restaurant fürs Mittagessen später zu suchen. Für 15 kuai  war uns der Eintritt sicher und los ging die Besteigung des Berges. Auf dem Weg zur Spitze tritt man als erstes durch dieses Tor:



Und hat dann die Aussicht auf den langen Weg der Besteigung des Berges.


Der Weg ist gesäumt mit Statuen von buddhistischen Priestern vergangener Tage, die auf bestimmte Art besonders waren (siehe Priester mit langen Augenbrauen), von kleinen Häusern mit Schreinen, einem daoistischen Tempel, einem Tor, welches die Verbundenheit Jinans mit der koreanischen Gemeinschaft symbolisiert und von einem herrlichen Park. 



Seine langen Augenbrauen symbolisieren Langlebigkeit. 



Ein daoistischer Tempel. 
Wobei ich mich frage warum es hier einen gibt, wenn es doch der Berg der 10.000 Buddhas ist. Aber was solls, schön war er dennoch. Leider durften wir keine Fotos schießen :(


 Das Tor, welches die Verbundenheit Jinans mit Korea ausdrückt.



 Die erste Etappe endet bei einem liegenden Buddha.

An dieser Stelle spreizen sich drei Wege vom ursprünglichen einen ab. Ein Weg führt weiter zur Bergspitze, ein anderer in den Park ein dritter zur Höhle der 10.000 Buddhas wanfo dong萬佛洞. Letzteren haben wir genommen.



Bevor wir aber hinein gingen, läutete ich vorher zwei Mal die Glocke eines kleinen Tempels neben an, um entsprechend der ausgeschriebenen chengyu成语 (Sprüche bestehend aus 4 Zeichen) 一鸣惊人 und 两心相印 „Die Welt mit einer brillanten Tat zu verblüffen“ und „Zwei Herzen wie eines schlagen zu lassen“. Soll heißen: Erfolg bzw. Berühmtheit und Glück in Liebe. Insgesamt hätte man ganze 99 Mal läuten können, dann hätten entsprechende weitere chengyu mir ihren Segen verliehen. Aber 297 kuai für alle 99 Schläge für 3 kuai pro Schlag wollte ich dann doch nicht ausgeben. Hoffentlich reichen die ersten zwei auch aus:).

 

Zwar wird man von grimmig dreinschauenden Gestalten am Eingang erwartet, aber sofort sieht man sich einem Buddha mit der Abhaya Mudrā (der Mudrā der Nicht-Angst) gegenüberstehen. Ein Mudrā ist eine symbolische Geste im Hinduismus und Buddhismus, die meist mit der Hand ausgeführt wird – seltener mit dem ganzen Körper. Sie dient der Bestimmung der Natur und Funktion der Gottheit. In diesem Fall drückt die Geste Schutz, Friede, Wohlwollen und das Vertreiben von Angst aus. Im Folgenden seht ihr verschiedene Impressionen aus der Höhle der 10.000 Buddhas, genießt sie! Solltet ihr nach Jinan kommen, dann schaut es euch auf jeden Fall mal an.








Die chinesische Variante des Buddha Avalokitesvara: Guanyin 观音 - Langform 观世音: "Die Töne der Welt wahrenemen." Sie ist der Buddha des Mitgefühls und hört unsere Rufe. Weit im Westen - im Kunlun Gebirge - soll sie leben und ihr Reines Land errichtet haben.

Nachdem wir uns in der kühlen Höhle ausreichend Zeit gelassen haben, ging es nun in Richtung Bergspitze. In Reih‘ mit lauter Chinesen hoben wir Fuß um Fuß, nicht müder werdend, denn schließlich war das Ziel die Bergspitze und das dortige kurz darunter gelegene Kloster Xingguo Chansi兴国禅寺.




Ein paar Impressionen des Kosters  :)

 

Ein indirektes Selfi ;D





Im Hintergrund seht ihr Jinan


Mein neuer Desktophintergrund :D



Leicht ins Schwitzen geraten, haben wir es geschafft und sind mit einem tollen Ausblick belohnt worden. Gut er wäre besser gewesen, wenn der Smog nicht so dicht gewesen wäre, aber Michael und Ich haben sofort beschlossen wieder zu kommen, wenn der Himmel vor lauter Blau nur so strahlt. Außerdem kann man dann möglicherweise ein Blick auf den rund 70 Km entfernten taishan泰山 den Berg Tai erhaschen. Der Berg Tai ist einer der fünf Heiligen Berge Chinas. Er wird mit dem Sonnenaufgang, der Geburt, der Erneuerung in Verbindung gebracht und war einer der wichtigsten zeremoniellen Orte, die von den Kaisern der vergangenen Dynastien besucht wurden. Aber dazu später mehr, wenn ich auch mal dort gewesen war:)


Blick von der Bergspitze auf Jinan und einen goldenen Buddha - unser letztes Tagesziel.


Habt ihr die goldene Buddha Statue auf den ersten Bild gesehen? Sicherlich, ist ja kaum zu übersehen. Wie ein Wächter wacht sie über Jinan und strahlt von jedem Tag aufs Neue mit einem breiten Lächeln der Stadt entgegen. Nur leider kann man es nicht jeden Tag sehen. Also auf ging es zum lächelnden Buddha. 

 


 Ein letzer Blick zurück


An dieser Stelle möchte ich kurz etwas zu lächelnden Buddha schreiben, denn er ist wohl bei uns im Westen der bekannteste. Findet man ihn doch Restaurants im Eingangsbereich sitzen, um implizit auszudrücken: „Hier kann man gut essen, schau mich an“. Des Weiteren in Wellness-Beauty und Co. Läden, die den Buddhismus zu einer Entspannungs-, Wellness-, Ich-find-zu-mir-selbst und meine-Mitte Religion stilisieren. Eigentlich ist er nicht „der“ Buddha, sondern vielmehr eine Figur der chinesischen Volksreligion und hat nichts mit dem historischen Buddha (Siddharta Gautama) zutun. Sein Name lautet Budai 布袋 und geht auf die legendäre Figur des in der Stadt Fenghua (im heutigem Zhejiang 浙江) lebenden Möches Qici zurück. Innerhalbe der chinesischen Schule des Chan-Buddhismus wird er als Inkarnation des „Buddha der Zukunft“ (Maitreya) verehrt und verkörpert eine messianische Figur, die den Weg weisen soll. 

So nun erstmal genug. Am Wochenende fahr ich wahrscheinlich in die von Deutschen ehemals besetzte Koloniestadt Qingdao 青岛. Es dürfte also bald wieder einiges zu berichten geben:)

 Bis bald.

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