7.2 Eintrag – Mit großen Schritten die Landkarte erweitern

Zweiter Teil

Es sind nun weitere drei Wochen ins Land gegangen, einiges ist geschehen, anderes ist gleich geblieben. Es ist schon ein wenig schade, dass ausgerechnet heute super Wetter ist, die Sonne scheint und der Wind den ganzen Smog, der sich die letzten Tage angesammelt hat, verscheuchte, ich hab in meinem Zimmer sitze, lerne und nun - nachdem der Uni vpn endlich wieder funktioniert und ich Internet habe wuuhuhu:) - an dem Blog schreibe, der schon längst hätte veröffentlicht werden sollen (ich werd' mich daher kürzer fassen). Aber! ich schreib ja gern und deswegen setz' ich mich die nächsten Stunden an meinen Schreibtisch und beginne die ersten Zeilen des frisch geborenen Blogs zu schreiben. Was wird ihn wohl erwarten? Eine Fortsetzung und Geschehnisse aus dem Alltag werden ihn prägen. Haha :D 


 Übrigens: Der Blick auf den 千佛山 (10.000 Buddha Berg) bei herrlichstem Wetter - welch seltener Anblick. Meist' kann man nur bis zu den Hochhäusern rechts im Bild sehen.

 Pingyao 平遥 - Tag 4 

Nachdem wir nun Abschied von Tianjin genommen haben, uns noch ein paar Nudeln für Abendbrot zum mitnehmen kauften und unser Abfahrtsgleis fanden, ging es nun (für mich das erste Mal) im Nachtzug nach Pingyao mit Umstieg in Taiyuan 太原. Glücklicher Weise hat Lea es geschafft für uns Tickets mit Sitzplatz zu buchen, was nicht so leicht war, denn fünf Minuten nachdem der Online-Kauf freigeschaltet war, waren alle Tickets weg. Das heißt es war reines Glücksspiel, ob wir sitzen werden oder nicht. Aber wie es schien saß Fortuna auf unserer Seite - zumindest auf der Hinfahrt... Die neun stündige Fahrt nach Taiyuan war im Ganzen akzeptabel. Der Zug war nicht so gefüllt wie auf der Rückfahrt, so dass man seine Beine auch mal ausstecken konnte ohne sich fürchten zu müssen, dass jemand darüber stolpert oder drauftritt. Zwischen der Position "Kopf auf verschränkten Armen auf dem Tisch"  und "Mit verschränkten Armen anlehnend", konnte ich auch nur in kurzen Zeitabständen schlafen - so hat es sich jedenfalls angefühlt. Naja aber immerhin besser als die ganze Zeit zu stehen. Nachdem die Welt um uns herum sich wieder erhellte, konnte man auch schon die ersten Eindrücke der Provinz Shanxi 山西省 (Die Provinz westlich der Berge) sammeln. Berge, Ebenen und ganz viele Tunnel. Was ich besonders interessant war, wenn wir auf der einen Seite bei Sonnenschein in den Berg hineingefahren sind und auf der anderen Seit in dicken Nebelschwaden wieder herausfuhren. Das hat sich auf den Großteil der Strecke so fortgesetzt:)
Müde und kaputt traten wir in Taiyuan an die "frische" Luft, suchten unser Gleis und warteten einfach ganz frech in der Unterführung darauf, dass unser Zug kommt. Normalerweise darf man das nicht. Wir hätten eigentlich aus dem Bahnhof raus und wieder reingehen müssen, aber da war uns zu doof, daher blieben wir einfach dort - hat scheinbar keinen gestört. Nach eineinhalb Stunden war dann auch endlich unser zweites Reiseziel erreicht: Pingyao. 


Wir sind daaa :)

Jetzt hieß es unseren Übernachtungsort zu finden. Ich schreibe bewusst nicht Hotel, Hostel oder dergleichen, da es diesen Titel nicht verdient hätte. Nicht aufgrund von besonders unterirdischen Standards, sondern vielmehr aufgrund der Ausstattung, aber dazu komme ich gleich. Erstmal was zu Pingyao:) 
Warum sind wir nach Pingyao gefahren? Ganz einfach, dort gibt es ein herrliches und im besten Zustand erhaltenes Stadtzentrum, welches von einer in ebenso besten Zustand erhaltenen Stadtmauer umschlossen wird. Ich glaube Pingyao ist die Stadt, die die Vorstellungen des westlichen Besucher über China am nächsten entspricht: Straßenzüge geschmückt mit roten Lampions, getaucht in funkelnde Laternen vor der Silhouette imposanter Stadtmauern und eleganten Stadtresidenzen. Dazu noch alte Türme, eine Reihe von Tempel verschiedener Konfessionen (buddhistische und daoistische) sowie historische Bauwerke. Man hat also alles quasi auf den Punkt konzentriert und glücklicherweise ist die Stadt der Umgestaltung der Städteplaner entkommen: Innerhalb der Stadtmauern sind noch rund 4.000 Häuser aus der Zeit der Ming 明朝 (1368 - 1644) und Qing  - Dynastie 清朝 (1644 - 1912) erhalten. 
Eigentlich hieß es wir werden vom Bahnhof abgeholt, aber nach etlichen Telefonaten mit den Besitzern hieß es dann wir treffen uns in der Stadt. Der Treffpunkt verschob sich mit jedem weiterem Telefonat... Erst an der Stadtmauer, dann an der nächsten Ecke, dann vor dem Restaurant X, dann hier und dann dort. Wir blieben dann einfach stehen und haben ihnen gesagt wo wir sind, und dass sie uns dort abholen sollen. Das hat auch geklappt. Erinnert Ihr euch an des Sprichwort 人山人海, welches ich im letzten Blog schon ansprach? Wenn nicht, dann lest den letzten Blog :P Hier jedenfalls war es 人山人海 ²² Noch mehr Menschen auf kleinerem Raum. Wer Klaustrophobie hat, sollte nicht zur Zeit der nationalen Feiertag den Fuß nach Pingyao setzen. Mit dem großen Rucksack auf dem Rücken und müde von der Fahrt war ich aufgrund des Gedränges und des Gestarre (o.O Ausländer?) ein wenig kniefieselig geworden, was nicht besser wurde als wir unsere Übernachtungsmöglichkeit erreichten. Eigentlich haben wir ein Zimmer mit zwei Betten und Bad gebucht - so wurde es uns auch bestätigt. Ja Pustekuchen, es stellte sich heraus, dass es ein winziger Raum mit einem Bett (Kang 炕 Ofenbett) ohne Bad war. Das fanden wir beide nun doch nicht so toll, so dass wir uns auf die Suche nach etwas Besserem umschauten. Das erste Hotel hätte unsere Ansprüche erfüllt, war aber mit 700 Yuan pro Nacht doch etwas zu teuer. Das zweite Hotel hat unsere Ansprüche erfüllt und war mit 550 Yuan für 2 Nächte bezahlbarer (Lea hat es sogar geschafft den Preis zu drücken, eigentlich sollte es 600 Yuan kosten :) )
Nach einer kurzen Verschnaufpause ging es dann aber auch schon wieder ins Gewusel der Stadt, denn wir sind ja gekommen, um zu erkunden und nicht (im Zimmer) zu bleiben;) Es folgen ein paar Impressionen des ersten Tages.


Erste Blick auf das historische Zentrum Pingyaos.


...und so sah es innerhalb der Altstadt aus... Von früh Morgens bis Abends war es gefühlt derartig gedrängt auf den Hauptstraßen, aber...


...abseits dieser Straßen sah es so aus:) Man konnte sich ohne Furcht jemanden auf den Fuß zu treten frei bewegen - herrlich.




 Nach der langen Fahrt bis nach Pingyao haben wir uns nun das (Nachmittags-)Mittag verdient. Alles was ihr auf dem Bild seht sind Spezialitäten der Provinz Shanxi. Angefangen von den runden Nudeln rechter Hand (Kaltspeise und etwas scharf) bis zu den Nudeln linker Hand (eine Arte "Flöckchen" Nudeln, meine waren mit Tomaten und Ei - Leas mit Rind und Tofu). Das absolute Highlight war die Suppe. Es war eine Reisschnapssuppe! Sie hat süßlich und nach Reisschnaps geschmeckt. Der Alkohol war natürlich verkocht ;) Echt lecker! Der Tofu links daneben war auch nicht zu verachten. Er war von der Konsistenz fester und hat sehr intensiv nach "Adjektiv einfügen" geschmeckt (leider kann ich es nicht beschreiben - ihr müsst es selbst probieren ;) )


 饭后百步 Nach dem Essen sollst du 100 Schritte gehen. Das haben wir beherzt wahrgenommen und sind der Mauer um die Stadt gefolgt.


 Das Nordtor.


Die im Wind wehende Flagge darf natürlich nicht fehlen. Generell war festzustellen, dass die Flagge dort an so gut wie jedem Hauseingang hing...



...und es wurde Abend ... :D 


Unsere Bleibe für die nächsten zwei Tage. 


Der Innenhof des Hotels


Das Haupttor im Zentrum...


einmal aus Norden...


...einmal aus Süden fotografiert.


Das Osttor. Na, wer sieht das Gesicht?

Pingyao Tag 5 

Der nächste Tag brach an, die Sonne schien wie am Tag zuvor und der Himmel blauer denn je. Perfekte Bedingungen, um sich Pingyao nun von der kulturellen Seite zu nähern. Teil des heutigen Tagesprogramms war es den (die) hiesigen Tempel zu besichtigen, den ehemaligen Amtssitz des Magistraten aufzusuchen und einen Ausflug zur Provinzresidenz des Magistraten 王 Wang anzutreten. 

Vorab zwei Bilder unseres Innenhofes zu Tage.




Huch, na was denn eine katholische Kirche hier mitten im Zentrum zu suchen? 
Fragt mich nicht - ich weiß es nicht ;) 


Der Eingang zum ersten Tempel. Zum Glück hatten wir uns am Vortrag ein Stadtticket für 150 Yuan gekauft, hätten wir das nicht getan, dann wären satte 50 Yuan für den Eintritt fällig geworden... Das mag nicht nach viel klingen, wenn man aber genügend Tempel, Museen und Amtssitze besuchen möchte ists schon teuer.




Wir zwei :D


Eine Statue des Denkers Xu Jiyu 徐繼畬(1795–1873), der ein hoch dekorierter Beamter und Geograf der späten Qing Dynastie war.


Gegenseitiges lernen? Bin mir nicht so sicher, was die Statue an dieser Stelle ausdrücken soll. Vorschläge?


Die Altstadt von oben.


Rückblickend erscheint mir der Tempel nicht einer Schulrichtung zugehörig, sondern eher wie eine Lehranstalt. Am Eingang hieß es "宫学庙文" was soviel heißt wie: Akademie zur kulturellen Ausbildung der königlichen Prinzen. 宫学庙 Gongxue miao referiert auf den Ort der Ausbildung und auf die Prinzen, 文 wen auf die Kultur. Daher muss ich mich in der Verwendung des Begriffes "Tempel" korrigieren, ist damit doch Religiosität assoziiert, die in diesem Fall wohl nicht angemessen wäre. Allgemein bezieht sich 庙 miao auf Tempel, jedoch trägt es auch die Bedeutung kaiserlicher Hof mit sich. Kaiserlicher Hof wäre aber wiederum zu viel des Guten, weswegen ich es einfach unübersetzt lasse.
Dass es sich hier um eine Akademie handelte konnte man an verschiedenen Stellen innerhalb der Anlage sehen: Es gab Lehrräume, die berüchtigten Prüfungskammern (alle die mit mir im 2 Semester Geschichte Chinas I besuchten wissen was ich meine^^ - für alle anderen: Die Beamtenprüfungen [hierüber könnte man Seitenweise schreiben, daher nur ganz kurz] 科举 keju waren ein System das die Eignung der Prüflinge in Hinblick auf deren spätere Funktionen im Beamtenapparat prüfte. Geprüft wurde der Inhalt aus den vier Büchern [大学 Das Große Lernen,论语 Die Gespräche,中庸 Maß und Mitte und 孟子 Mengzi] und den fünf Klassikern [易经 Buch der Wandlungen,诗经 Buch der Lieder,礼记 Buch der Riten, 书经 Buch der Urkunden und 春秋 Frühlings- und Herbstannalen] deren Zeichen insgesamt rund 430.000 betrug und von allen als Schüler auswendig!! gelernt wurde. Die Prüfung bestand aus Erörterungen, dem Verfassen von Gedichten, der Anfertigung von Aufsätzen über historischer oder politische Themen usw. Es ist also nachvollziehbar, dass die Anforderungen extrem hoch waren, wenn man höhere Ränge erreichen wollte. Außerdem wurden die Prüfungen nicht einfach mal an einem Nachmittag abgehalten, nein die Prüfung zog sich über Tage hinweg und die Prüflinge durften während dieser Zeit die Kammern nicht verlassen. Warum schreib ich nun "berüchtigt"? Ganz einfach: Einige Prüflinge kamen mit dem Druck nicht klar, erlitten körperliches Versagen und wurden dann über die Mauern raus geworfen...) Naja, was konnte man noch sehen: verschiedene Hallten für Zeremonien und (nun moderner) ein eigenes Museum, in welchem man die Prüfungen einsehen kann.

Nachdem wir den Vormittag dort verbrachten, entschieden wir uns am Nachmittag eine Mitfahrgelegenheit zur Residenz des ehemaligen Provinzmagistraten zu nehmen. Nach einer dreiviertel Stunde waren wir auch schon da und konnten die herrliche Aussicht bewundern. Die Residenz ist auf einem Berghang vor einerm Tal gelegen. Ich muss gestehen mich darüber nicht wirklich informiert zu haben. Dies mal wollt' ich einfach durch schlendern und gucken ;D Genießt die Bilder. Habt die die Chance, dann fahrt dorthin (aber nicht zum National Feiertag - ich sag nur Menschen...).




Eine Pagode am Eingangsbereich.




So sahen die verschiedenen Wohnkomplexe innerhalb der Anlage aus. Ein vier Seitenhof mit Hauptaufenthaltsraum im hinteren Bereich und Studierzimmer zu den Seiten. 

 







Beginnend ab diesem Bild befanden wir uns auf der Mauer, die die Residenz umschließt.



Die Panoramafunktion des Iphones bringts voll :D 



Wer findet Lea? :)


... und da sind wir auch schon am Ausgang. Unser Fahrer hatte uns mittlerweile schon angerufen und gefragt wo wir denn stecken, wenngleich wir noch eine viertel Stunde Zeit hatten... Entsprechend gestresst wie er war, war auch sein Fahrstil...Naja aber wir kamen heil wieder in Pingyao, hatten noch eine Kleinigkeit zu Abend gegessen, sind durch die Gassen geschlendert und erschöpft vom Tag Abends ins Bett gefallen.

Wie die letzten zwei Tage ausgehen und was wir erleben (für mich der Höhepunkt, da wir ein buddhistisches Kloster umgeben von atemberaubender Landschaft besuchten), schreib ich im nächsten Blog, dann auch mal wieder etwas über mein Leben hier in Jinan. Also der nächste folgt bald. Versprochen :)




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